Ich habe einen Balkon, der 3 Meter breit und 5 Meter lang ist. Er ist zur Nordseite ausgerichtet, die Sonne scheint nie darauf. Aber ich pflanze. Jedes Jahr neue Pflänzchen, und das mehrmals, weil ich den Schatten ignoriere. Nachtschattengewächse sind nicht mein Gemüt, also versuche ich die lichtgeneigten Wesen mit klarem Wasser am Leben zu erhalten. Das gelingt mir über ein paar Wochen hinweg, dann muss ich Abschied nehmen von den verkümmerten Blättern und Blühten. Ein grüner Daumen wurde mir wohl nicht in die Wiege gelegt, obwohl ich mit ihnen spreche, den zarten Gebilden.
Jetzt habe ich eine Erdbeere. Ein zartes Etwas ist das, und es ruft mich an, sobald ich auf meinen luftigen Erker trete. “Schau mich an”, sagt es, “ich brauche.” Und ich renne. Wasser, wenn es schon keine Sonne gibt. Und die Erdbeere reckt sich und zollt mir ihre Zuneigung, indem sie eine winzige weiße Knospe zeigt. Hoffnung auf rote Früchte keimt in mir auf. Die Erdbeere lacht. “Versprechen kann ich Dir nichts.” Das erinnert mich an …
Ich hatte mal einen Oleander. Geliebt habe ich den riesigen Busch im tönernen Topf. Und gehofft, dass er mal so prächtig sein wird, wie die Sträucher an den Autobahnen Portugals. Nichts ist es geworden. Mein Bäumchen brachte keine volle Blühtenpracht hervor, stattdessen war es voll mit gelben und schwarzen Blattläusen. Jeglicher Versuch das widerliche Getier loszuwerden scheiterte, zuletzt musste ich mein Pflänzchen zu Grabe tragen. Wenn ich also nur eine einzige Frucht von der kleinen Süßen auf dem freien Stück vor meiner Wohnung ernten kann, dann bin ich glücklicher als eine Biene, die einer Butterblume den zuckrigsten Honig entlocken konnte …